SCHWARZENBRUCK – Das Haus mit der großen Einfahrt in der Gufidauner Straße ist hell und freundlich, Marmorstufen führen hinauf zur Haustür, die der Hausherr weit aufhält und ins Wohnzimmer lädt. Dort gibt es einen Tisch, dessen Oberfläche aus Trophäen besteht: Medaillen, Anstecker, Ehrennadeln. Dutzende und Aberdutzende – aus Deutschland und ganz Europa.

Legendäre Sammelbilder


Hans Gerlach war einer der ganz großen in der deutschen Leichtathletik der 60er Jahre. Mit seinen Spitzenleistungen als Läufer über die 3000 und 5000 Meter-Distanz schaffte er 1964 und 1968 die Qualifikation für Olympia. Gerlach war als Top Athlet seinerzeit auf den legendären Sammelbildern abgebildet, die jeder Schüler in Tüten beim Lebensmittelhändler an der Ecke kaufte und dann mit seinen Freunden auf dem Schulhof tauschte. Anschließend klebten die kleinen Sammler die Bilder dann in ihre Alben und freuten sich darüber, wenn die Sammlung wuchs und das Album irgendwann vollständig war. „Sportbild 68“ heißt eins jener Sammelwerke, in denen sich Bilder von Gerlach neben Fußballgrößen wie Franz Beckenbauer oder Uwe Seeler finden.

Mit großem Interesse studiert Hans Gerlach das 50 Jahre alte Album mit Sportbildern. Gleich zweimal taucht er darin auf, einmal auf einem Foto als Zweiter bei den Deutschen Meisterschaften 1967 über die 5000 Meter in Stuttgart und dann als Sieger bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften in Kassel, ebenfalls über die 5000 Meter. | Foto: Blinten

Als Sportlehrer bei Siemens


Die eifrigen Sammler sind heute in die Jahre gekommen. Aus Burgthann und Mimberg etwa waren das Herbert Meyer und Oswald Heyden, aus Schwarzenbach der inzwischen verstorbene Hans Wagner. Die Jungen besuchten 1971 die Siemensberufsschule in Nürnberg und staunten nicht schlecht, als sich ihr neuer Sportlehrer vorstellte, eben das Laufwunder Hans Gerlach, dessen Fotos sie vor drei Jahren noch fürs Album gesammelt hatten.

 

Gerlachs Schüler an der Siemens-Berufsschule in Nürnberg im Jahr 1971: Drei Jahre zuvor hatten die Jungen die Sportbilder gesammelt und staunten nicht schlecht, als das Laufwunder von 1967 sich ihnen jetzt als ihr neuer Sportlehrer vorstellte. | Foto: privat


Gerlach schmunzelt, wenn er an seine Zeit als Sportlehrer bei Siemens zurückdenkt. Das war spannend damals. Aus den Reihen der Lehrlinge hat der an der Sporthochschule in Köln ausgebildete Sport-Pädagoge viele für die eigene Siemens-Leichtathletik-Mannschaft gewonnen. Zehn Jahre lang hat er als Trainer damals erfolgreiche Arbeit bei Siemens geleistet. Erst als der Konzern seine firmeneigene Berufsschule in Nürnberg auflöste und Gerlach damit seinen Job verlor, fuhr er auch sein Engagement für die Siemens-Mannschaft zurück.

Laufen als Leidenschaft


Mit 14 Jahren entdeckte der heutige Trainer des TSV Ochenbruck seine Leidenschaft für die Leichtathletik. Laufen – das war seine Disziplin. In den folgenden Jahren nahm er an dutzenden Meisterschaften teil, immer brachte er Urkunden, Pokale und Ehrennadeln mit nach Hause. Mit 18 Jahren wurde er dann in Bamberg Bayerischer Meister über die 3000 Meter.

Als er zur Bundeswehr kam, räumte er bei diversen Meisterschaften innerhalb der Truppe alles ab, was zu gewinnen war. Woraufhin der TSV 1860 München auf den jungen Mann aufmerksam wurde und ihn in die damals beste Leichtathletik-Mannschaft holte, die ein deutscher Verein zu bieten hatte.

Zurück nach Franken


Nach der Bundeswehrzeit am Luftwaffenstützpunkt Pfaffenhofen in Oberbayern kehrte Hans Gerlach nach Franken zurück und startete hier über zwei Jahre für die Mannschaft seines Arbeitgebers Siemens.

Seine leistungsstärkste Zeit hat der Schwarzenbrucker Ruheständler in der zweiten Hälfte er 60er Jahre: Bei den Deutschen Meisterschaften 1967 – vor 50 Jahren also – wird er hinter dem legendären Harald Norpoth Zweiter über die 5000 Meter mit 14:01,2 Minuten. Er nimmt an der Europameisterschaft in Budapest teil und läuft da seine Jahresbestzeit: 14:00,6 Minuten.

Gerlachs Schüler an der Siemens-Berufsschule in Nürnberg im Jahr 1971: Drei Jahre zuvor hatten die Jungen die Sportbilder gesammelt und staunten nicht schlecht, als das Laufwunder von 1967 sich ihnen jetzt als ihr neuer Sportlehrer vorstellte. | Foto: privat



Unvergessen für ihn der Länderkampf gegen die USA, als ihn das Publikum im Düsseldorfer Rheinstadion bei Flutlicht anfeuerte: „Gerlach, Gerlach…“ Am Ende lief er hinter Norpoth als zweiter über die Ziellinie, ließ dabei aber den USA-Meister van Nelson hinter sich.

Zweimal Pech


Viele Erfolge und zweimal Pech: 1964 war Gerlach für die Olympischen Spiele in Japan, 1968 für die Spiele in Mexiko qualifiziert. 1964 musste er wegen eines zuvor bei einem Wettkampf über 10 000 Meter erlittenen Kreislaufkollapses verzichten, vier Jahre später dann wegen einer Verletzung an der Achillessehne.

Einen Einschnitt in Gerlachs Leben brachte das Jahr 1981, als er nach zehnjähriger Tätigkeit als Sportlehrer an der Siemens-Berufsschule seinen Job verlor, weil Siemens die Schule schloss. Er bewarb sich dann beim Berufsbildungswerk in Rummelsberg als Sportlehrer und arbeitete hier bis zum Jahr 2001.

Seit 1972 in Schwarzenbruck


In Schwarzenbruck wohnt der Sportler bereits seit 1972. In der Gufidauner Straße baute er damals ein Haus, hatte seinerzeit aber keinen Kontakt zu seinem jetzigen Verein, dem TSV Ochenbruck. Dessen Verantwortliche kamen im Herbst 1988 mit dem Vorschlag auf ihn zu, doch eine eigene Leichtathletik-Abteilung im Verein aufzubauen.

Konnte das gelingen? Hans Gerlach erinnert sich, dass er seinerzeit skeptisch war. Kinder wollen Fußball spielen, oder Handball, oder auch Volleyball. Aber Leichtathletik? Als der TSV dann aber zu einem Infotreffen einlud, waren sofort über 30 Kinder mit ihren Eltern da. Das Interesse war groß. Und wuchs mit den Erfolgen der Leichtathletik-Abteilung des TSV kontinuierlich in den folgenden Jahren.

Hervorragende Arbeit


Weil viele Sportvereine in den Nachbarkommunen keine Leichtathletik anbieten, kommen junge Sportler aus der ganzen Region zum TSV und sorgen dafür, dass der Verein bei Meisterschaften immer glänzen kann.

Als Trainer hat Gerlach hier über die vergangenen Jahrzehnte hervorragende Arbeit geleistet.

Die soll auch nach seinem Rückzug als Leiter der Leichtathletik-Abteilung weitergehen. Hier hat er den Staffelstab kürzlich an Anke Groß weiter gegeben, die jetzt die Abteilung leitet.

Sport hält jung


Klar, die ganze Organisation, das Drumherum, mit dem sich der Abteilungsleiter plagen muss – das ist der 78-Jährige jetzt los. Aber als Trainer auf dem Platz stehen – das will er nicht missen.

Warum auch? Der Sport hält offensichtlich jung. Wie ein typischer Endsiebziger jedenfalls wirkt der Ruheständler nicht. Als Trainer aktiv zu bleiben ist ihm wichtig, auch wenn er das Laufen inzwischen für sich selbst aufgegeben hat.

Allerdings freut er sich über kalte und schneereiche Tage, wenn in der Region die Loipen gespurt werden. Dann holt er seine Langlaufskier heraus.

Leichtathletik – das ist ein Teil von Hans Gerlachs Leben. Weil er ein ganz großer Läufer war, hat das Sammelalbum Sportbild 68 ihm zwei Fotos gewidmet.

Von Seeler und Beckenbauer gab es damals jeweils nur ein Bild. Aber die Bundesliga war da auch erst fünf Jahre alt.