Mit einem bärenstarken Finish hat sich Jakob Kemminer am Freitag bei der U18-EM in Banská Bystrica (Slowakei) 100-Meter-Gold geschnappt. Am Abschlusstag folgte noch Silber mit der Medley-Staffel. Im Interview ließ er anschließend seine Erfolge Revue passieren und sprach über die Unterstützung durch sein Umfeld sowie seine nächsten Ziele.
Svenja Sapper
Jakob Kemminer, herzlichen Glückwunsch zu deinem starken Abschneiden bei der U18-EM. Blicken wir zunächst auf dein 100-Meter-Finale zurück. Was ist dir durch den Kopf geschossen, als du über die Ziellinie gesprintet bist und wusstest: Du bist Europameister?
Jakob Kemminer:
Ich war unfassbar glücklich. Das ganze Jahr habe ich darauf hintrainiert, eigentlich von Anfang an mit dem großen Ziel: Ich wollte Europameister werden. Dass das geklappt hat, ist unfassbar schön. Letztes Jahr beim EYOF [Europäisches Olympisches Jugendfestival in Maribor, Slowenien; Anm. d. Red.] habe ich es ins Finale geschafft, konnte dort aber nicht antreten, weil ich mich im Halbfinale verletzt hatte. Deshalb bedeutet mir diese Goldmedaille umso mehr.
Wie hast du es geschafft, durch die Runden fokussiert zu bleiben und immer dieses Ziel vor Augen zu haben, das du dir gesetzt hattest?
Jakob Kemminer:
Ich habe mich von den anderen nicht so sehr ablenken lassen und während der Läufe die Ruhe gesucht. Damit ich nicht so viel an die Wettkämpfe denke, habe ich aber auch mit meinen Freunden Spaß gehabt. Wir waren draußen, haben Blödsinn gemacht. Es war die Kombination aus „voll fokussiert vor und nach dem Wettkampf“ und einen Tag vorher Spaß zu haben und nicht zu sehr an den Wettkampf zu denken, um den Kopf frei zu kriegen.
Das Finale ist eigentlich genau so gelaufen, wie du es nach dem Halbfinale vorhergesehen hattest – der Brite Joel Masters hat im Finale den besseren Start erwischt. Das Finish gehörte dann dir ...
Jakob Kemminer:
Mein Start war nicht der beste. Ich war im Tunnel und hatte trotzdem das Gefühl, dass jemand vor mir ist. Das hat mich umso mehr gepusht und die letzten 50 Meter waren dann großartig.
Auch wenn Athleten diejenigen sind, die Erfolge feiern, stehen dahinter stets viele weitere Menschen, die sie auf ihrem Weg begleiten. Welche Menschen haben einen Anteil an deiner Goldmedaille?
Jakob Kemminer:
Ohne meinen Heimtrainer Norbert Wörlein hätte ich es überhaupt nicht bis hierher geschafft. Dann habe ich einen super Physio, Anton Schönauer, zu dem ich häufig gehe und der mich behandelt. Ich starte für einen eher kleinen Verein, den TSV Ochenbruck, aber bekomme von dort jede Unterstützung, die ich mir wünschen kann. Und ich habe auch meine Mutter, die mich jeden Tag unterstützt, mich nach dem Training massiert. Mehr kann man sich nicht wünschen.
Zwei Familienmitglieder von dir haben deinen 100-Meter-Triumph live im Stadion miterlebt ...
Jakob Kemminer:
Ja, mein Vater und mein Bruder sind da. Sie waren überglücklich. Mein Vater hat fast geweint vor Freude. Es war unfassbar schön, beide nach dem Zieleinlauf zu sehen.
Ist deine Familie auch sportlich aktiv?
Jakob Kemminer:
Mein Bruder hat bis vor einem Jahr Basketball gespielt. Meine Mutter war früher Geherin. Mein Vater ist eher der Musiker. Meine gesamte Familie ist die beste Unterstützung. Ich bin halb Ukrainer, meine Familie dort und auch meine Oma in Deutschland fiebern bei jedem Wettkampf mit.
Am Abschlusstag folgte dann die zweite Medaille: mit der Medley-Staffel über 1.000 Meter gab es Silber. Wie schön war es, die Freude diesmal teilen zu können?
Jakob Kemminer:
Ich hätte es mir nicht schöner vorstellen können! Ich muss leider sagen, dass ich meine 100 nicht so gut gelaufen bin, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich hatte schon ziemlich müde Beine nach all den Läufen. Dann habe ich am Start ein bisschen gepennt, am Ende konnte ich noch mal ein bisschen Boden gutmachen. Aber die anderen drei Jungs haben das super gemacht, geisteskrank gerettet hintenraus. Milan [Stadler] hat uns hier die Medaille nach Hause geholt. Es ist immer noch mal cooler als ein Einzelstart, weil man als Team kämpft und sich zusammen freut. Diese Staffelmedaille ist für mich fast noch schöner als die Einzelmedaille.
Abgesehen von deinen Medaillen: Was ist die schönste Erinnerung, die du aus Banská Bystrica mitnehmen wirst?
Jakob Kemminer:
Ein Mann hat mich gefragt, ob ich ein Foto mit seinem Sohn machen kann, der eine Behinderung hat. Das hat mich wirklich berührt. Die Atmosphäre hier ist großartig und ich nehme viele schöne Erinnerungen mit, aber das ist die schönste.
Auch nach der U18-EM ist deine Saison noch nicht vorbei …
Jakob Kemminer:
Richtig, ich werde am nächsten Wochenende bei den Deutschen U20-Meisterschaften in Koblenz laufen und möchte mich dort für die U20-WM in Lima [Peru; 27. bis 31. August] qualifizieren. Das ist das nächste große Ziel.